Sind Bluttransfusionen immer gleich notwendig?

Als Selbsthilfegruppen-Leiterin und Patienten-Vertreterin erlebe ich immer wieder, dass Patienten ihre Laborwerte sehr genau beobachten und teilweise auch falsch interpretieren.

Natürlich sind die Blutwerte ein wichtiger Faktor im Krankheitsbild von Leukämie- und Lymphom-Patienten, trotzdem sollten sich Patienten nicht verunsichern lassen und die Bedeutung der Blutwerte mit dem Arzt abklären.

Speziell bei anämischen Patienten (Aplastische Anämie oder Myelodysplastisches Syndrom [MDS]) spielt der HB-Wert (Hämoglobin = Blutfarbstoff der Erythrozyten, das den Sauerstoff bindet, Erythrozyten = Rote Blutkörperchen) eine große Rolle. Diese Patienten sind oft auf eine Bluttransfusion mit Erythrozyten-Konzentrat (EK) angewiesen. Sie fragen mich dann oft, ab welchem HB-Wert eine EK notwendig wird.

Normalwerte:

Hämoglobin (Hb)
Frauen: 12 – 16 g/dl (etwa 7,5 – 9,9 mmol/l).
Männer: 13,5 – 17,5 g/dl (etwa 8,4 – 10,9 mmol/l)

Erythrozyten
Frauen: 4,1 – 5,1 Millionen/μl
Männer: 4,5 – 5,9 Millionen/μl

Das Hämoglobin bzw. die Erythrozyten sind für den Sauerstofftransport im Körper zuständig und können daher die Befindlichkeit eines Patienten beeinflussen.

Meine Antwort: Es kommt
a) auf die Beschwerden bzw. Symptome an (z.B. Kurzatmigkeit, Schwäche, Müdigkeit (Fatigue)) und die hieraus resultierende Belastung der Lebensqualität
b) auf die Empfehlung des behandelnden Arztes

Es gibt zum Beispiel Patienten, die sich mit einem Hb-Wert unter 8g/dl durchaus noch wohl fühlen, und es gibt andere, die bereits mit einem Hb-Wert um die 10 g/dl extrem in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind.

Beispiele:

  • Ein Mann spielte mit einem Hb von 6g/dl immer noch Tennis und war über seine Laborwerte sehr überrascht.
  • Ein anderer Mann bemerkte bei der Gartenarbeit, dass er immer kraftloser wurde.
  • Er war kaum in der Lage Laub zusammenzurechen. Bei der Laborkontrolle wurde ein Hb von 11 g/dl festgestellt.
  • Eine Frau konnte kaum mehr durchatmen, jede körperliche Betätigung war extrem belastend, der Hb allerdings noch bei 10 g/dl.
  • Eine andere Frau, sie war Fitness-Trainerin, wunderte sich, dass sie beim Training immer schneller erschöpft war und ihre Aktivitäten deshalb reduzierte.

Nach mehreren Wochen mit vermeintlicher „Frühjahrsmüdigkeit“ oder Vitamin B Mangel suchte sie einen Arzt auf. Er tippte auf Eisenmangel und ordnete eine Blutuntersuchung an, die überraschenden Werte: Hb 7 g/dl.

Da die Anzahl der beanspruchten Bluttransfusionen den Krankheitsverlauf bei MDS negativ beeinflussen, sollten MDS-Patienten mit möglichst wenigen Bluttransfusionen auskommen. Ziel der MDS-Therapie sollte es also sein Bluttransfusionen einzusparen und erst dann in Anspruch zu nehmen, wenn sich die Blutarmut mit körperlichen Symptomen bemerkbar macht und somit die Lebensqualität einschränkt.

Leider gewöhnt sich der Körper sehr schnell an die Transfusionen und es kommt häufig zu kürzeren Abständen zwischen den Terminen. Bluttransfusionen enthalten Eisen, das sich in den Organen ablagern kann.

Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass 56% aller MDS-Patienten nach einer 26-wöchigen Lenalidomid-Therapie (10mg) transfusionsunabhängig wurden und sich die Lebensqualität verbesserte.