Soziale Medien: Vom Liken und Teilen…

Soziale Medien: Vom Liken und Teilen…
Längere Erfahrungen habe ich mit Facebook und Twitter. Ich bin in einigen deutschen„Krebs-Gruppen“ unterwegs und auch in einigen „ausländischen“, die sich im weiteren und engeren Sinne für Blutkrebserkrankungen oder auch nur für meine Erkrankung, dem Myelodysplastischen Syndrom, einsetzen.

Es ist wie im richtigen Leben, geliket und geteilt wird, wenn man sich kennt. Oft wird nur geliket, das Teilen geschieht schon sehr viel zögerlicher. An dieser Stelle beginnt bereits der Konkurrenzdruck, „meine Seite“ oder „deine Seite“ hat mehr Likes, wer erreicht mehr Leute? Dabei würden alle bei gegenseitigem Teilen oder Retweeten noch mehr Leute erreichen.

Wie im analogen Leben wird in die Zigtausende geliket  bei Tierquälerei, Krebsgeschichten von kleinen Kindern oder Promis und bei bestens in Szene gesetzten Sterbegeschichten. Wie im realen Leben wollen die User betroffen gemacht werden. So ist der Mensch, vor allem, wenn er wie in unserer digitalen Welt non stop Kurzzeit-Reizen ausgesetzt ist. Nur Sensationen zählen und sie sind schnell wieder vergessen. Ich ticke genau so, das weiß ich doch, auch wenn ich es durchschaue… Aber deswegen Laptop aus, Ipad und Handy weg. Nein. Das ist für mich keine Lösung, denn für uns Patientenvertreter ist die Weitergabe von Informationen auf vielen Kanälen eines der wichtigsten Mittel unseres Vereins bzw. Netzwerks.

Manchmal gelingt im Netz ein Coup, wie die „Ice-Bucket-Challenge“: etwas total abgefahren Verrücktes, das genau deswegen der unheilbaren degenerativen Nerven-Erkrankung „Amyotrophe Lateralsklerose“ (ALS) viel Aufmerksamkeit, aber vor allem Geld für die Forschung eingebracht hat. Deswegen doch „Hut ab“.

Oder: Ich hätte ohne die Sozialen Medien nie von der tapferen jungen Frau Brittany Maynard aus USA erfahren, die extra mit ihrer Familie nach Oregon gezogen ist um sich 2014 wegen eines inoperablen Gehirntumors mit einem entsprechenden Medikament das Leben nehmen zu dürfen. Durch ihr öffentliches Engagement für die Non-Profit-Organisation Compassion & Choices, die sich für die Legalisierung der Sterbehilfe stark macht, erreichte sie eine Intensivierung der Debatte und wurde dadurch auch in anderen Ländern bekannt, in denen Sterbehilfe politisch diskutiert wird. In zahlreichen Interviews und Videobotschaften hatte sie sich zu ihrer Leidensgeschichte und ihren Absichten geäußert und damit ein Millionenpublikum erreicht.

Beide Beispiele haben gemeinsam, dass es sich nicht nur um Privatgeschichten handelt, sondern sie sind mit Engagement für gesellschaftlich wichtige, notwendige, dringende Themen verbunden. Für mich kann es keine bessere Legitimation geben.

Am 25.10.2015 war Welt-MDS-Tag. Die Myelodysplastischen Syndrome sind eine seltene Erkrankung. Mit geposteten Fotos von Patientengruppen, Logos u.a. aus vielen Ländern gleichzeitig hat unser internationales Netzwerk, die MDS-Alliance, auf die Sozialen Medien gesetzt um dadurch den Bekanntheitsgrad dieser Blutkrebserkrankung zu erhöhen. Insgesamt ist das ganz gut gelungen, wenn auch das gegenseitige Liken und Teilen noch hätte MEHR sein können. Ich hatte zwei echt interessante Tage im Netz. Abends taten mir die Augen weh vom stundenlangen „Like and Share“.
Enttäuscht war ich von zwei deutschen Krebsgruppen mit jeweils über 1000 Mitgliedern, bei denen Engagement und Patientenvertretung, ja selbst Sachinformationen über Krebs, zurück gewiesen und nicht veröffentlicht werden mit dem Argument, „man lehne jegliche Werbung anderer Gruppen ab“. Es war – ich gebe es zu – genau diese Reaktion, die mich dazu bewogen hat, diesen Blogartikel zu schreiben. Nun, wenn man sich in diesen Gruppen regelmäßig „eine ruhige, schmerzfreie Nacht“ wünschen lassen will und 1000 Mal „alles Gute“ für diese oder jene bevorstehende Therapie, dann ist man dort richtig und ja, das private Gesäusel und der Trost sind enorm wichtig, nur bevor ein shitstorm gegen mich los geht…Wert auf sachlich korrekte Informationen zu Krankheit, Therapien und Forschungsergebnissen wird jedoch kaum gelegt. Die berechtigte Frage muss dabei sein: Das muss sich doch nicht gegenseitig ausschließen. Oder?

Ich kann nur sagen „schade, schade, schade !“ Dieses Konkurrenzgebaren von Krebsgruppen untereinander bremst und blockiert, letztlich zum Schaden der Patienten.

Inzwischen kann man (teure) Seminare buchen, wie man professionell und effektiv das Meiste und Nachhaltigste aus den Sozialen Medien heraus holt. Im dazu technischen Gebiet bin ich zu sehr Laiin. Engagement reicht eben nicht aus, man muss ES auch KÖNNEN.