Ein Bericht einer CLL-Patientin über mehr als 25 Jahre Leben mit Chronisch lymphatischer Leukämie

Danke und Situationsbericht November 2020


Sehr geehrte Waldmanns
Sehr geehrte Frau Stippler,
meine Ehefrau Ina und ich, als ihr bestellter Betreuer, wollen Ihre blumenverzierten Geburtstagsgrüße und -wünsche zum Anlass nehmen, ganz herzlich zu danken und gleichzeitig einen aktuellen Sachstandsbericht übermitteln. Denn es ist schon für Sie und für den Verein interessant, wie sich die in 1996 offiziell formulierte „totale Remission“ der CLL nach 25 Jahren darstellt.
Horst schreibt nun einfach drauf los, was so unsere Themen in Bezug auf Inas Gesundheit sind. Er fasst es so ab, als ob Ina selbst berichtet. Sie ist ja die von Anfang an Betroffene und Leidtragende, aber mit Ehrfurcht und großem Dank, dass damals alles so positiv abgelaufen ist.

1.

Als eine Spätfolge der Hochdosis-Chemo (in Mainz) in 1996 hat sich bei mir die Polyneuropathie ausgebreitet und festgesetzt. Sie stört ständig durch angespannte Muskeln und Sehnen, und auch meinen Bewegungsablauf durch die Zeitverzögerung zwischen Gedankenbefehl zur Bewegung und dem Reagieren der Muskel.

Es sind auch die erheblichen Schmerzen beim Berühren der Hautoberfläche da. Hierdurch bin ich beim Laufen eingeschränkt, hinsichtlich der Entfernung wie auch nach Oben oder Unten. Ein Rundgang (am Wagen) und immer in Begleitung durch Ehemann im Einkaufsmarkt führt mich an die Erschöpfung. Beim Kochen in der Küche sind Unterbrechungen zum Ausruhen und die Nutzung eines Trippelstuhls (auf Rädern und höhenverstellbar) notwendig. Spaziergänge sind seit Langem nicht mehr möglich. Um dennoch raus zu kommen, haben wir im Oktober ein elektr. Scootmobil in den NL erstanden, das mir ein längeres paralleles Mitfahren bei Spaziergängen auf ebenem glatten Gelände ab dem nächsten Frühjahr ermöglichen wird.

2.

Hatte gerade einen erfahrenen Neurologen in Marburg zur Begutachtung und Bewertung meiner Polyneuropathie aufgesucht und erfahren, dass es dazu kein Gegenmittel gibt, nur noch Eincremen, Bürstenmassage und Ibuprofen zum Muskelentspannen. Nach seinen verschiedenen Tests und meiner Beantwortung eines Fragenkatalogs (Basic Accessments) hat er die Einstufung in die Behindertenklasse 4 (von 5) attestiert.

Das Amt für Versorgung und Soziales in Gießen führt mich seit Februar 2018 auf dem Ausweis mit Behinderung 100 % und Buchstabe G. Horst will nun – die tatsächliche Lage abbildend – in Gießen die Zuordnung zu Buchstabe aG erreichen, der allein zielführend ist für den Ausweis zum Parken auf einem Behindertenparkplatz. Von einem solchen hätte ich es dann zu Fuß immer näher zum Ziel als jetzt.

3.

Seit Längerem schmerzt das linke Knie mit seiner Gelenkarthrose derart, dass ich für diesen Dezember eine TEP- OP verabredet habe. Im Diakonie Krankenhaus in Marburg- Wehrda wird mich derselbe Facharzt wie in 2010 operieren - heute als Chefarzt. Zur OP war mir ja schon 2010 geraten worden, als ich am rechten Knie eine TEP OP hatte. Den an sich schon für Oktober d.J. geplanten Eingriff hatte ich verschoben, weil ich mich vor dem Hintergrund ähnlicher OPs in der Verwandtschaft mit schweren Komplikationen (KhsKeimen u.ä.) nervlich nicht dazu in der Lage sah. Die REHA kann ich in derselben Einrichtung (Geriatrie) machen; in einem REHA-Zentrum außerhalb könnte ich als Pflegefall nichts mehr normal absolvieren.

4.

Das Gehen und Stehen in der Wohnung und zur Mitfahrt im Auto erfolgt zur Sicherheit zurzeit am besten mit Nordic Walking Stöcken. Rollator und Gehbock stehen bereit, werden aber noch nicht eingesetzt. Alle meine Gänge laufen langsam ab. Beim Bewältigen der drei Stufen vor dem Haus sowie beim Einstieg ins Bett muss mir mein Mann helfen. Meine sich seit den letzten Jahren verstärkenden orthopädischen Beschwerden sind natürlich schon mit dem Pflegerecht und seinen Leistungen abgeglichen und haben seit dem 1.7.2020 zu einer Höherstufung von 2 in den Pflegegrad 3 geführt.
Alleiniger Betreuer daheim ist mein Ehemann mit Pflegegeld- Empfang. Ihm obliegt alles, was Erledigungen und Besorgungen in Waschkühe und Keller sowie Terminabsprachen und Fahrten zu ärztlichen und therapeutischen Behandlungen betrifft. Wir nutzen auch die Haushaltshilfe (Entlastungsbetrag 125 EUR/mtl.). Die Erstattungen der Pflegeaufwendungen erfolgen bei uns – wie im Bereich der KV - gesplittet über die Beihilfe Land Hessen und die PflegeV unserer privaten Krankenversicherung.

5.

Ich bin mir meines großen Glücks bewusst, mit als Erste mittels der autologen Stammzell-Transplantation am Uni Klinikum Mainz in 1996 die CLL aus 1991 überwunden zu haben und mit der sog. Totalen Remission herausgekommen zu sein! Nach ersten ambulanten und teilstationären Behandlungszyklen mit Wirkstoffen, die indirekt, d.h. noch nicht durch Andocken wirkend, in den Gesamtkörper gegeben wurden.

Mein großes Glück war, das just zu dieser Zeit um 1995 die Forschung und Anwendung in den USA die autologe Stammzell-Transplantation in Fällen von Non Hodgkin auch für die Behandlung von CLL als erfolgreiche Behandlung beurteilt hatten.

Man muss also zur rechten Zeit geboren und gerade dann am rechten Fleck auf Erden sein, um eine solch kleines aber lebensrettendes Medizinerkenntnis nutzen (lassen) zu können.
Insoweit habe ich Hochachtung vor der Arbeit des Privatdozenten (PD), dem damals die Verbindung zur aktuellen internationalen Forschung oblag.

Diesen meinen besonderen Heilungserfolg wollte und will ich nie wieder gefährden (lassen). So war und bin ich stets bemüht, alle meiner Einschätzung nach „drohende Gefährdungen“ von meinem Knochengewebe abzuhalten und abzuwehren. So habe ich vor zwei Jahren nach fertiger Planung doch darauf verzichtet, in den Oberkiefer sechs Implantate setzen zu lassen (zur Aufnahme einer modernen festen Kauhilfe), um mein Knochengewebe nicht „unnötig“ zu stören. Trage somit mit gutem Gefühl meine Saugprothese weiter.

Habe im September d. J. eine OP zur Behebung des Grauen Stars mit Erneuerung beider Augenlinsen vornehmen lassen. Alles gut verlaufen und verheilt. Vor drei Jahren hatte ich eine früh erkannte Krebs-OP am Gebärmutterhals an der Uni Klinik in Marburg ebenfalls ohne Komplikationen gut absolviert. Mit anschließender REHA übrigens wieder an der Klinik für Tumorbiologie (selbstgewählt) in Freiburg, wie schon nach der autologen SZT in 1996. Auch der Leiter war noch derselbe Prof. aus der hessischen Schwalm wie damals. Auch bei dieser Unterleibs-OP hat - auf meine Bedenken hin - das zuvor tagende Tumorboard nur eine Strahlentherapie gutgeheißen und bewusst eine Chemobehandlung negiert. Alles gut gegangen und verheilt. Nun bin ich guten Mutes, dass die bevorstehende Knie-OP gleichfalls gut verheilen wird und mir die erheblichen Arthrose-Schmerzen wegnimmt.

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